Fünf Risikofaktoren für innere Kündigung und wie ich sie ausschalte
Wie oft habe ich das schon erlebt: Die Personalabteilung sucht neue Kandidaten für offene Positionen und präsentiert sie im Vorstellungsgespräch der verantwortlichen Führungskraft. Wenn alles passt, wird ein Angebot ausgesprochen und wenn der oder die Kandidatin den Vertrag unterschreibt, wird gejubelt.
Aber was passiert dann? Über die Einarbeitungs- oder Onboarding-Phase schreibe ich noch einen anderen Blogartikel. Betrachten wir die nächsten 2-3 Jahre mal im Zeitraffer:
Nach großem Engagement in der Anfangsphase, bestandener Probezeit, der ersten Gehaltserhöhung und vielleicht den ersten erfolgreichen Projekten schleicht sich so etwas wie Routine in den Arbeitsalltag. Die Führungskraft bekommt den Eindruck: Es läuft nicht mehr so. Irgendwie lässt die Energie beim neuen Mitarbeiter nach und es wird nur das Nötigste gemacht. Dienst nach Vorschrift.
In vielen Fällen passiert dann … gar nichts. Die Führungskraft hat Sorge, etwas falsch zu machen und hofft, dass das Teammitglied sich bald wieder berappelt. Vielleicht ist es ja etwas Privates, das sich irgendwann wieder einrenkt.
Tatsächlich ist jetzt höchste Zeit für ein Feedback- oder vielleicht sogar Kritikgespräch, um das Teammitglied wieder auf die Spur zu bekommen. Wenn auch das nichts bringt, ist es ein klarer Fall von innerer Kündigung.
Im Internet gibt es viele Artikel dazu, wie man innere Kündigung erkennt. Hier geht es darum, wie innere Kündigung entsteht und wie man sie verhindern kann.
Wenn ein Teammitglied in die innere Kündigung geht und keine Eigeninitiative mehr zeigt, geschieht das in der Regel auf Grund von Frustration. Die Person ist demotiviert und nur noch wenig leistungswillig. Natürlich können wir nicht in die Köpfe hineinschauen, aber die psychologische Forschung sieht einen engen Zusammenhang zwischen den menschlichen Grundbedürfnissen und ob sie erfüllt sind und motiviertem Verhalten.
Das schauen wir uns jetzt mal genauer an. Was kann dazu führen, dass jemand so demotiviert ist und in die innere Kündigung geht?
Risikofaktor 1: Soziale Isolation
Was ist das?
Wir sprechen von sozialer Isolation, wenn jemand das Gefühl hat, nicht dazuzugehören. Obwohl sie zu einem Team gehören, fühlen sich die Betroffenen nicht mit den anderen verbunden und sind einsam.
Gerade das Arbeiten in verteilten Teams und die Online-Zusammenarbeit kann zu sozialer Isolation führen. Dann fehlt der soziale Kitt, der im persönlichen Kontakt zu anderen entsteht. Bei der Online-Zusammenarbeit fallen die informellen Gespräche auf dem Flur oder auf dem Weg zur Kantine weg, die nötig sind, um sich dazugehörig zu fühlen.
Aber auch in Teams, die täglich im Büro zusammen arbeiten, können Teammitglieder das Gefühl haben, nicht dazuzugehören. So etwas passiert beispielsweise, wenn jeder vor sich hin arbeitet und die Teammitglieder nur das Nötigste miteinander besprechen. Oder wenn ein Teammitglied z.B. als „anders“ betrachtet wird, vielleicht weil es neu ist, intelligenter, kleiner oder aus einem anderen Grund. Dann kann es passieren, dass die Kollegen es nicht in das Team integrieren.
Was passiert?
Das Teammitglied, das sich sozial isoliert fühlt, zieht sich weiter zurück. Vielleicht hat es zuvor Anstrengungen unternommen, sich besser zu integrieren und der Isolation gegenzuarbeiten. Tatsächlich liegt es aber nicht allein in seiner Hand, die Ursachen für die soziale Isolation zu beseitigen.
Der Rückzug führt tatsächlich in die soziale Isolation. Der Mitarbeiter beteiligt sich nicht mehr an Gesprächen und tauscht sich nicht mit den anderen aus. So ein Rückzug mündet leicht in der inneren Kündigung und kann sogar zu Depression und psychischer Erkrankung führen.
Was kann ich tun?
Als Führungskraft kann ich steuern, wie mein Team zusammenarbeitet. Zur Vorbeugung oder Verringerung sozialer Isolation kann ich beispielsweise
- Online-Zusammenarbeit reduzieren und die Teammitglieder wieder mehr im Büro arbeiten lassen, damit es mehr Gelegenheit für informellen persönlichen Kontakt gibt,
- gemeinsame Unternehmungen anstoßen und dafür sorgen, dass sich das Team auch privat besser kennenlernt, oder
- Buddy- oder Mentorenprogramme in meinem Team einführen und eine bestimmte Person beauftragen, sich um die Integration eines neuen Teammitgliedes zu kümmern.
Risikofaktor 2: Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten
Was ist das?
Viele Mitarbeiter, die ihren Job kündigen, begründen ihre Entscheidung mit „fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten“. Auch ich habe das oft zu hören bekommen, als ich Personalleiterin war. Zuerst dachte ich, die Mitarbeiter würden sich über fehlende Aufstiegsmöglichkeiten oder zu wenig Gehaltserhöhungen beklagen. Das war aber nicht der Fall.
Tatsächlich liegt das Gefühl, keine Entwicklungsmöglichkeiten zu haben, noch tiefer. Jeder Mitarbeiter, der in einem Unternehmen arbeitet, möchte sich einbringen, Neues hinzulernen, Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen und sich entfalten, also weiterentwickeln.
Ich habe beobachtet, dass neue Teammitglieder in vielen Teams zwar ausreichend eingearbeitet werden. Danach kommt jedoch nicht viel Neues. Die Teammitglieder bekommen immer wieder die gleichen Aufgaben übertragen. Es fehlt an Entwicklungsmöglichkeiten.
Was passiert?
Besonders häufig haben junge Mitarbeiter am Anfang ihrer Karriere das Gefühl, sich nicht weiter entwickeln zu können. Zuerst werden sie nur in einen Teilbereich der Aufgaben eingeführt, um sie nicht zu überfordern. Aber sie wollen schnell auch mehr übernehmen. Hier habe ich häufig Unzufriedenheit und Konflikte erlebt.
Wenn sich nach der Einarbeitung die erste Routine einstellt, ist es spätestens Zeit für neue Herausforderungen. Aber auch langjährige Mitarbeiter wünschen sich ab und zu neue Aufgaben. Wenn diese ausbleiben, kommt Langeweile auf und es gibt zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren:
Entweder, das Teammitglied arrangiert sich mit der Situation und reduziert sein Engagement – bis hin zur inneren Kündigung. Oder es sucht sich eine spannendere Aufgabe – im schlimmsten Fall in einem anderen Unternehmen.
Was kann ich tun?
Als Führungskraft kann ich dafür sorgen, dass meine Mitarbeiter sich einbringen und weiterentwickeln können. Damit sich niemand langweilt, kann ich
- dafür sorgen, dass meine Teammitglieder immer neue Aufgaben oder Themen bekommen, damit die Routine nicht Überhand gewinnt,
- meine Leute fragen, welche Aufgaben sie gerne übernehmen möchten und ihr Aufgabengebiet nach Möglichkeit darauf anpassen,
- darauf achten, dass meine Leute Verantwortung dafür übernehmen, was sie tun und ihre Probleme selbst lösen können.
- nur das Ergebnis als Anforderung formulieren und es den Mitarbeitern selbst überlassen zu entscheiden, wie sie es erreichen.
Risikofaktor 3: Sinnlose Aufgaben
Was ist das?
Hier ist die Frage, ob die Teammitglieder ihre Aufgaben sinnvoll finden oder nicht. Der Eindruck, die Aufgaben seien sinnlos, entsteht, wenn nicht klar ist, warum etwas gemacht werden soll, wozu das Arbeitsergebnis wichtig ist und wofür es verwendet wird. Das kann passieren, wenn Hintergrundinformationen fehlen oder zu viele Aufgaben auf dem Tisch liegen und die Prioritäten nicht klar sind.
Es kann auch passieren, dass Mitarbeiter objektiv sinnlose Aufgaben bekommen. Dann ist von vornherein klar, dass die Arbeitsergebnisse „für die Tonne“ sind, also dass die Ergebnisse nicht verwendet werden.
Was passiert?
Wenn die betroffenen Teammitglieder keinen Sinn darin sehen, was sie tun, sehen sie nicht, dass ihre Arbeit für etwas nützlich ist. Sie können sich mit den Aufgaben nicht identifizieren. Eine innere Leere entsteht.
Das Selbstwertgefühl leidet, denn die Mitarbeiter haben das Gefühl, sie können mit der Erledigung der Aufgaben nichts bewirken.
Eine Möglichkeit, sich davor zu schützen, ist, sich von den Aufgaben zu distanzieren. Die Mitarbeiter erledigen die Aufgaben quasi schulterzuckend und machen „Dienst nach Vorschrift“. Sie entwickeln die Einstellung: „Das muss eben gemacht werden“ und sind nicht mit Engagement bei der Sache.
Was kann ich tun?
Als Führungskraft kenne ich die Anforderungen aus dem Unternehmen und habe den Überblick über die Aufgaben meines Teams. Wenn ich diese Information weitergebe, kann ich das Bedürfnis meiner Mitarbeiter nach Transparenz und Sinn erfüllen, indem ich
- die Erwartungen an das Team bzw. an jeden einzelnen klar formuliere,
- bei allen Aufgaben erkläre, warum sie wichtig sind, wofür die Ergebnisse benötigt werden bzw. an wen sie zu welchem Zweck weitergegeben werden,
- meine eigenen Entscheidungen und unternehmerische Entscheidungen, die unser Team betreffen, immer begründe.
Ich unterstütze Sie auf dem Weg zu einem motivierten Team!
Risikofaktor 4: Unerfüllte Erwartungen
Was ist das?
Jeder Mensch hat Erwartungen – unabhängig davon, ob sie ausgesprochen werden oder nicht. Besonders neue Teammitglieder kommen häufig mit Erwartungen ins Team, und hoffen, dass diese erfüllt werden, ohne sie ansprechen zu können. Auch Mitarbeiter, die schon länger im Team sind, haben Erwartungen, die unausgesprochen bleiben.
Führungskräfte können nicht wissen, welche Erwartungen ihrer Teammitglieder haben. Sie können nicht von sich auf andere schließen, denn Erwartungen sind sehr persönlich und entstehen aus früher gemachten Erfahrungen.
Wenn die Führungskraft nicht mit ihren Teammitgliedern über deren Erwartungen spricht, kann sie sie auch nicht erfüllen.
Was passiert?
Wenn die Erwartungen eines Teammitgliedes nicht erfüllt werden, hängt es vom Typ ab, wie es reagiert.
Stellen wir uns einmal konkret vor, ein/e Mitarbeiter/in erwartet eine Gehaltserhöhung, vielleicht, weil er schon lange auf der Position arbeitet, weil bei der Einstellung so etwas besprochen wurde oder aus einem anderen Grund.
Es gibt Menschen, die sich dafür einsetzen, dass ihre Erwartungen erfüllt werden. Sie gehen auf ihre Führungskraft zu, fragen nach der erwarteten Gehaltserhöhung, begründen ihre Erwartungen und stehen für sich ein. Unabhängig davon, ob die Erwartungen erfüllt werden oder nicht, also ob es eine Gehaltserhöhung gibt oder nicht, holen sich diese Mitarbeiter eine Information, mit der sie etwas anfangen können. Wenn sie die Gehaltserhöhung nicht bekommen, erhalten sie zumindest eine Begründung dafür und können ihre Schlüsse daraus ziehen.
Andere Menschen sind abwartend und beobachten, was passiert. Sie entwickeln Antennen für jede Äußerung der Führungskraft und versuchen, die für sie relevanten Informationen – in unserem Beispiel zum Thema Gehaltserhöhung – herauszulesen, ohne nachzufragen. Wenn die Erwartungen dieser Mitarbeiter nicht erfüllt werden, resignieren sie und ziehen sich zurück. Sie fahren ihr Engagement zurück und machen Dienst nach Vorschrift. Auf Dauer führt dies zu innerer Kündigung.
Was kann ich tun?
Als Führungskraft muss ich die Erwartungen jedes einzelnen Teammitgliedes kennen. Besonders mit neuen Teammitgliedern ist es wichtig, nicht nur die eigenen Erwartungen und die des Unternehmens zu klären, sondern immer wieder auch nach den Erwartungen des Mitarbeiters zu fragen. Auch wenn Teammitglieder schon länger dabei sind, brauche ich Informationen über ihre Erwartungen.
Daher lenke ich das Gespräch hin und wieder in diese Richtung, um die Gelegenheit zu bieten, über die Erwartungen zu sprechen.
Wenn ich die Erwartungen kenne, aber sie nicht erfüllen kann,
- erkläre ich nachvollziehbar die Gründe, die der Entscheidung zugrunde liegen, (z.B. ich kann generell keine Gehaltserhöhungen gewähren, weil das Unternehmen sparen muss und niemand eine Gehaltserhöhung bekommt),
- biete ich Alternativen an, wenn möglich, (z.B. keine Gehaltserhöhung aber eine Prämie),
- achte ich darauf, dass ich keine Versprechungen mache, die ich nicht einhalten kann (z.B. „nächstes Jahr bist Du dran mit einer Gehaltserhöhung!“).
Risikofaktor 5: Unsicherheit
Was ist das?
Menschen fühlen sich unsicher, wenn sie sich nicht auskennen, egal in welchem Bereich. Es gibt Unsicherheit beispielsweise in räumlicher Hinsicht („Wo ist was?“), in sozialer Hinsicht („Wen spreche ich an, um etwas zu erreichen?“ oder „Wie reagiert jemand, wenn ich ihn anspreche?“) oder in organisatorischer Hinsicht („Wer macht was?“).
Die Unsicherheit ist dann besonders groß, wenn Mitarbeiter neu in ein Team kommen, wenn Veränderungen anstehen, von denen sie nicht wissen, wie sie sich auf ihre Arbeit und ihr Umfeld auswirken oder wenn ihre Führungskraft sich für sie auf unvorhersehbare Art verhält.
Was passiert?
Wenn Menschen sich unsicher fühlen, erhöht sich ihr Stressempfinden. Sie können die Folgen ihres Handelns nicht abschätzen oder haben das Gefühl, sie kennen sich nicht aus. Sie fühlen sich überfordert und dadurch sinkt ihr Selbstbewusstsein.
Wenn ein Teammitglied unsicher wird, hängt es vom Typ ab, wie es reagiert.
Es gibt Menschen, die aktiv werden, wenn sie sich unsicher fühlen. Sie beschaffen sich Informationen, um ihre Unsicherheit zu reduzieren. Sie recherchieren oder fragen andere und das kann zu Gerüchten führen, die starke Emotionen oder sogar Widerstand auslösen können.
Andere Menschen sind weniger aktiv. Wenn sie sich unsicher fühlen, ziehen sie sich zurück, konzentrieren sich auf ihre Aufgaben und machen sich lieber keine Gedanken. Das kann dazu führen, dass sie sich nicht mehr für ihr Umfeld und die Zusammenhänge interessieren, um der Verunsicherung aus dem Weg zu gehen. Sie koppeln sich ab und die Identifikation mit dem Arbeitsplatz sinkt. Das kann auf Dauer zu innerer Kündigung führen.
Was kann ich tun?
Als Führungskraft bin ich dafür verantwortlich, dass sich mein Team möglichst sicher fühlt und selbstbewusst und in Ruhe arbeiten kann.
Das kann ich auf sachlicher Ebene erreichen, indem ich
- besonders bei neuen Mitarbeitern für eine schnelle und fundierte Einarbeitung sorge und ihnen selbst die Zusammenhänge im Unternehmen erkläre,
- allen Teammitgliedern die Informationen über das Unternehmen und die Unternehmensentwicklung weitergebe, die ich auf der Führungsebene erhalte,
- allen die Gelegenheit gebe, Fragen zu stellen und dafür sorge, dass sie eine befriedigende Antwort bekommen und
- bei anstehenden Veränderungen in Ruhe mit dem Team überlege, was die Veränderungen für uns bedeuten und wie sie sich für uns auswirken.
Auf persönlicher Ebene achte ich darauf, dass mein Verhalten für die Teammitglieder berechenbar ist, so dass sie
- sich auf meine Aussagen und Entscheidungen verlassen können,
- wissen, wie ich zu meiner Meinung und meinen Entscheidungen komme,
- auch dann, wenn ich nicht da bin, wissen, was ich sagen würde.
Fazit
Innere Kündigung ist keine bewusste Entscheidung des Mitarbeiters. Es ist ein Schutzmechanismus, der dann greift, wenn psychische Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden. Die Person koppelt sich ab, um sich vor psychischer Belastung und Erkrankung zu schützen. Sie engagiert sich weniger und wirkt teilnahmslos.
Die Führungskraft hat großen Einfluss auf die Teammitglieder und kann die Zusammenarbeit im Team steuern und gestalten. Dazu gehört, die Bedürfnisse der Mitarbeiter im Blick zu haben und darauf zu achten, dass sie erfüllt werden.
Wenn das nicht gelingt, können einzelne Mitarbeiter in die innere Kündigung gehen. Es hängt von der individuellen Sichtweise und vom Typ des Mitarbeiters ab.
Es heißt nicht umsonst: „Mitarbeiter kommen wegen des Unternehmens, bleiben wegen der Aufgabe und gehen wegen der Führungskraft!“
Die Führungskraft hat es also in der Hand, wie engagiert ihre Mitarbeiter sind und ob sie im Unternehmen bleiben.
Ich unterstütze Sie gerne!
Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare und Gedanken!