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Vier Mythen über Vertrauen im Führungsalltag
Im Businessalltag geht es häufig so hektisch zu, dass man kaum Luft zum Atmen hat, geschweige denn Zeit zum Nachdenken über das eigene Führungsverhalten.
Das Thema Vertrauen hat es mir persönlich angetan, denn als ich darauf stieß, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Eigentlich sollte es ganz normal sein, dass sich alle im Business gegenseitig vertrauen, aber leider habe ich allzu oft eine Arbeitsatmosphäre erlebt, die eher von Misstrauen und Kontrolle geprägt war.
Daher nehme ich heute vier Mythen über Vertrauen im Büro unter die Lupe. Ich freue mich über Ihre Kommentare und Gedanken zum Thema.
Mythos 1:
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Stellen Sie sich vor, Sie bekommen eine neue Führungskraft, die sich zunächst einmal mit allen Mitarbeitern zusammensetzt, um alle kennenzulernen und zu verstehen, wer was macht. Nach diesem Begrüßungsgespräch bittet sie weiterhin darum, über alles informiert zu werden, was Sie machen, woran Sie arbeiten, mit wem Sie sich austauschen, zu welchen Meetings Sie gehen, usw.
Wie wirkt diese Art Führung auf Sie? Wahrscheinlich denken Sie: „Wenn sie alles besser weiß, soll sie es doch selbst machen.“ oder „Ich mach lieber nur so viel, wie von mir verlangt wird. Alles andere könnte ja falsch sein.“
Kontrolle führt dazu, dass Mitarbeiter Verantwortung abgeben. Durch die Fremdsteuerung entsteht eine „Dienst-nach-Vorschrift“-Mentalität. Die Teammitglieder reduzieren ihre Eigeninitiative, erfüllen Anforderungen und liefern die Indikatoren, die für die Kontrolle wichtig sind. So verlieren sie die Motivation und das eigentlich Wichtige, den Sinn ihrer Arbeit, aus den Augen. Es kann passieren, dass ein Teammitglied eine gute Idee hat, diese aber gar nicht äußert. Der Grund ist, dass er oder sie nicht weiß, ob diese erwünscht ist oder von der Führungskraft als hilfreich angesehen wird.
Fazit: Der Mythos ist falsch!
Es muss heißen: „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser!“
Wenn Sie möchten, dass Ihr Team Verantwortung übernimmt, reduzieren Sie die Kontrolle oder das Controlling. Fragen Sie nach, was die einzelnen Mitarbeiter brauchen, um gute Arbeit zu leisten. So übertragen Sie ihnen die Verantwortung für ihre Leistung und geben den Freiraum, diese auszufüllen.
Mythos 2:
Vertrauen entwickelt sich oder eben nicht. Da kann man nichts machen.
Stellen Sie sich vor, Sie übernehmen die Verantwortung für ein neues Team* und die Teammitglieder sind Ihnen gegenüber sehr zurückhaltend. Sie haben den Eindruck, dass auch innerhalb des Teams wenig Vertrauen herrscht. Obwohl alle in einem Büro sitzen, sprechen sie wenig miteinander und schreiben sich stattdessen gegenseitig E-Mails.
In so einer Situation haben Sie zwei Möglichkeiten:
- Sie nehmen es so hin, wie es ist und warten ab, wie sich die Dinge entwickeln, oder
- Sie arbeiten gezielt daran, zum Team Vertrauen aufzubauen
Was auf jeden Fall passieren wird, ist, dass Ihr Team ganz genau registriert, wie Sie sich verhalten und was Sie tun.
Wenn Sie abwarten, wie sich die Dinge entwickeln, können Sie Glück haben. Vielleicht tun Sie unbewusst das Richtige und es entwickelt sich Vertrauen zwischen Ihnen und dem Team. Es wird jedoch langsam von statten gehen und vom Zufall abhängen, ob Sie das Vertrauen des Teams bekommen oder nicht.
Wenn Sie gezielt daran arbeiten möchten, zum Team Vertrauen aufzubauen, habe ich vier konkrete Anregungen für Sie:
- Sorgen Sie für eine freundliche, zugewandte Atmosphäre. Das öffnet Ihnen die Türen, denn Sympathie ist der erste Schritt zu gegenseitigem Vertrauen.
- Zeigen Sie Interesse an jedem einzelnen Teammitglied. Erkundigen Sie sich nach der privaten Situation, dem Lieblingsverein oder anderen Interessen.
- Vermeiden Sie, über Personen zu sprechen, die nicht anwesend sind. So lernen alle, dass Sie auch nicht über Ihre Leute sprechen, wenn sie nicht dabei sind.
- Machen Sie klar, dass Sie Ihrem Team keine Informationen vorenthalten und dass Sie mit Ihrem Team offen und fair umgehen.
Das Team wird sich automatisch an Ihnen und Ihrem Verhalten orientieren. Sie werden automatisch Vorbild für Ihre Leute sein.
Fazit: Der Mythos ist falsch!
Es muss heißen: „Vertrauen kann und sollte man sich gezielt erarbeiten.“
Je klarer Sie kommunizieren, dass Ihnen diese Prinzipien wichtig sind, desto schneller wirkt Ihr Verhalten vorbildhaft auf das Team.
Wenn sich Ihre Leute bei Ihnen sicher fühlen, werden sie sich auch Ihnen gegenüber vertrauenswürdig verhalten.
Es ist an Ihnen, den ersten Schritt zu gehen.
* Das funktioniert natürlich auch mit einem bestehenden Team und nicht nur, wenn Sie ein neues Team übernehmen.
Mythos 3:
Wer zu viel Vertrauen schenkt, bezahlt irgendwann immer mit Tränen.
Gilt dieses Sprichwort unserer Großeltern auch für unseren Führungsalltag?
Stellen Sie sich vor, Sie leiten ein Team, von dem Sie sich wünschen, dass die Teammitglieder mehr Vertrauen zueinander und zu Ihnen haben, mehr Informationen austauschen und besser zusammenarbeiten.
Weiter oben habe ich schon von Ihrer besonderen Rolle als Führungskraft und Ihrer Vorbildfunktion geschrieben. Wenn Sie also möchten, dass innerhalb des Teams mehr Vertrauen herrscht, ist das Ihre Entscheidung. Und Sie können ganz einfach damit beginnen, vertrauensvolle Zusammenarbeit vorzuleben.
Schenken Sie jedem einzelnen Teammitglied Vertrauen und erklären Sie die Gründe für Ihr Verhalten. Nach einiger Zeit können Sie auch den Wunsch formulieren, dass die Teammitglieder ebenfalls ihr Verhalten ändern. Wenn Ihre Anforderungen klar sind, können sie auch Feedback zu einzelnen Verhaltensweisen geben. Mehr dazu erfahren Sie in meinem Artikel „5 Tipps und ein Geheimtipp, mit denen das nächste Feedbackgespräch ganz einfach gelingt.„
Wenn es nach einiger Zeit immer noch jemanden gibt, der sich nicht auf die neue Kultur einstellt, ist das zwar kein Grund zum Jubeln, aber Sie haben sicher schon ganz andere Herausforderungen gemeistert. Tränen wird es jedenfalls nicht geben, denn Sie sind professionell und Führungskraft genug, um noch einmal das Gespräch zu suchen.
Fazit: Der Mythos mag richtig sein, gilt aber nicht für Ihre eigenen Leute!
Es muss also heißen:
„Wer seinem Team Vertrauen schenkt, kann es vervielfachen.“
Kultur verändern oder auch Vertrauen aufbauen ist Chefsache. Sie definieren die Art und Weise, wie Ihre Leute miteinander umgehen. Als Führungskraft haben Sie es in der Hand.
Mythos 4:
Wessen Vertrauen einmal missbraucht wurde, der kann niemandem mehr vertrauen.
Bodo Janssen, heute Geschäftsführer der Hotelkette „Upstalsboom“, wurde im Alter von 24 Jahren unter Mithilfe seines damals besten Freundes entführt und acht Tage lang physisch und psychisch gefoltert. Heute wird er oft gefragt: „Wie kann man nach solchen Erlebnissen jemals wieder Vertrauen zu anderen Menschen haben?“
Seine Antwort darauf gibt er in seinem Podcast: „Das Verhalten anderer Menschen braucht keine Auswirkung auf mein Vertrauen zu haben.“ „Wenn ich mich aktiv dafür entscheide, kann ich üben, mein Vertrauen zu stärken.“
Sind Sie auch schon einmal enttäuscht worden, fühlten Ihr Vertrauen missbraucht und haben Sie sich danach entschieden, anderen lieber misstrauisch und vorsichtig zu begegnen?
Es ist Ihre Entscheidung, ob Sie der Welt mit Misstrauen oder mit Vertrauen begegnen. Horchen Sie in sich hinein, was Ihnen eher liegt. Es ist eine persönliche Entscheidung und eine Frage des Willens, welche Haltung man gegenüber anderen einnehmen möchte.
Wie kann man so eine Veränderung vollziehen?
Es gibt viele Wege, an sich selbst zu arbeiten, sich zu hinterfragen und seine Einstellung, seine Werte und sein Menschenbild zu verändern. Klar ist, dass es vergleichsweise aufwändig und eine große Herausforderung ist.
Es gibt viel gute Literatur und Ratgeber zu diesem Thema*. Es gibt Resilienz-Trainings oder auch Angebote in Klöstern, die beispielsweise Bodo Janssen genutzt hat. Auch die Unterstützung durch einen Coach ist auf jeden Fall hilfreich in diesem Veränderungsprozess.
Sehen Sie sich hier mein Businesscoaching-Angebot an.
Fazit: Der Mythos ist falsch!
Es muss heißen:
„Wessen Vertrauen einmal missbraucht wurde, der kann sich entscheiden und daran arbeiten, sein Vertrauen in andere wieder aufzubauen.“
* Bodo Janssen, Carsten Drath oder Claudia Croos-Müller